Liz Bachhuber: School's Out!

Liz Bachhubers (*1953) Kunst ist das „Verweben“: Ihre Werke stiften Beziehungen und handeln von Beziehungen – zwischen Dingen und anderen Dingen, zwischen Dingen und Menschen sowie zwischen Menschen und anderen Menschen. (Tim Ingold)

 

Im Zentrum ihrer Arbeit stehen gefundene Materialien mit ästhetisch-narrativen Qualitäten, oft in Kombination mit natürlichen Werkstoffen. Ihr Schaffen kreist um das permanente Interesse an der Ökologie, um ein nachhaltiges eigenes Wirken als künstlerische Praxis sowie um die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie. Bereits aufgegebene Dinge erfahren eine Wertschätzung, die Fundstücke werden zu kulturellen Artefakten. In ihrem Buch „School’s Out!“ gibt die Künstlerin einen Überblick sämtlicher ihrer Vor-Ort-Installationen und Werke seit 1989 sowie einen Rückblick auf 25 Jahre Lehrtätigkeit an der Bauhaus-Universität Weimar. „School’s Out!“ symbolisiert nicht nur das Ende ihrer Lehrtätigkeit, sondern auch ihre wiedergewonnene Freiheit.

 

Beispielsweise besteht die Installation „Philemon und Baucis IV“ (2019) aus einem Geäst, um das Krawattenstoff gelegt ist und stellt dieses einem zerschlissenen Paar Lederschlittschuhe gegenüber, durch welche golden schimmernde Schnürsenkel gezogen wurden. Es handelt sich um „väterliche Krawatten und mütterliche Schnelllauf-Schlittschuhe“. Die Installation kann also als ein „Doppelportrait“ begriffen werden, das von einer Erinnerung daran zeugt, was die Tochter als charakteristisch für ihre Eltern im Gedächtnis bewahrt hat. Die Schlittschuhe der Mutter und damit womöglich auch ihre Leidenschaft für den Eislauf-Sport werden buchstäblich an den Nagel gehängt. Das Bild des Vaters entspricht gesellschaftlichen Konventionen, das reich verzweigte Geäst deutet auf viele Wege, Abzweigungen, vielleicht auch auf Irrwege und Sackgassen hin, die sich im Lauf der Zeit ergeben haben mögen. Die Eltern als Philemon und Baucis, als alterndes Paar, das in eine neue Lebensphase eintritt.

 

Bachhubers Kunst poetisiert die Wirklichkeit, kritisiert aber gleichzeitig bestehende Zustände. Sie lockert alltägliche, festgeschriebene Verhältnisse und ersetzt diese durch vielschichtige und reichhaltigere Beziehungsebenen. Einmal in ein neues Geflecht eingewoben, werden die Dinge „als das wahrnehmbar, was sie eigentlich immer schon waren, ohne dass wir aber dessen gewahr geworden wären, und sie werden zugleich zu mehr, als sie bislang waren, weil sie jetzt in ihrer ebenso umfassenden wie grundsätzlichen Bezüglichkeit in Erscheinung treten“, so Michael Lüthy, Professor an der Bauhaus-Universität Weimar, in seinem begleitenden Essay zu Bachhubers neuer Monografie „School's Out!“.

Die aufwendig gestaltete, 128 Seiten umfassende Publikation in deutscher und englischer Sprache, die eine Ausstellung in der ACC Galerie Weimar (November 2019 - Februar 2020) begleitete, präsentiert unter anderem nie gezeigte künstlerische Positionen aus Bachhubers eigenen Studienzeiten in Wisconsin-Milwaukee, Düsseldorf und New York. Gemeinsam mit neuen, kontextbezogenen Werken stellen sich die Arbeiten einer Neuinterpretation und eröffnen zurück- und vorausblickend zusätzliche Zeit- und Bedeutungsebenen.

 

 

Liz Bachhuber: School's Out!, Kerber Verlag, Bielefeld, Berlin 2020, ISBN 978-3-7356-0662-4, 35 EUR

 

 

 

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