Johanna Banck-Burgess, Lisa-Maria Rösch (Hrsg.): Verknüpft und zugenäht! Gräser, Bast, Rinde – Alleskönner der Steinzeit

Heute sind atmungsaktive und thermoregulierende Textilien aus Chemiefasern jedem bekannt. Doch schon in der Jungsteinzeit stellten unsere Vorfahren wasserdichte und strapazierfähige Stoffe aus Naturmaterialien wie Gräsern, Gehölzbast und Rinde her.

Diese Erkenntnisse wurden bei archäologischen Ausgrabungen prähistorischer Pfahlbausiedlungen an den Ufern des Bodensees und den Seen und Mooren Oberschwabens gewonnen. Hierbei werden regelmässig Reste von Textilien geborgen, die sich im feuchten Milieu hervorragend erhalten haben. Zum Repertoire der Textilfunde gehören Reste von Seilen, Netzen, Behältern, Schuhen und Kleidung.

Neben Leinen bildete Lindenbast das wichtigste Rohmaterial jungsteinzeitlicher Textilien. Je nach Aufbereitung und Weiterverarbeitung hatte das fertige Textil unterschiedliche Funktionen: Es diente zum Verpacken, Tragen, Ziehen, Binden, Umwickeln oder Fallenstellen und war ein richtiger ‘Alleskönner’. Heute ist Bast ein wenig genutzter Teil der Rinde und kaum jemand weiss noch, wie allgegenwärtig dieser Rohstoff einst war und von welch grundlegendem Wert solche Produkte bei der alltäglichen Arbeit in der Land- und Hauswirtschaft waren.

Derzeit läuft ein Forschungsprojekt ‘THEFBO‘, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung seit 2018 bis 2021 gefördert wird. Im Rahmen des textilarchäologischen Projekts haben sich fünf Projektpartner das Ziel gesetzt, die vorgeschichtlichen Textilien umfassend zu katalogisieren, zeitlich einzuordnen und ihre kulturhistorische Bedeutung aufzuzeigen.

So sollen Veränderungen in der Nutzung und Technik von Textilien über lange Zeiträume hinweg rekonstruiert werden, um sie besser verstehen zu können. Auch wird systematisch untersucht, welche Techniken bereits zu Zeiten der Sammler und Jäger bekannt waren und sich auch in den darauf folgenden Zeiten der frühen sesshaften Bauern erhalten haben.

Das Projekt widmet sich ausserdem der Untersuchung der Entstehung von Rinden- und Basttextilien ab den ersten Funden zur Zeit der Jäger und Sammler und ihres Wandels bis hinein in die Bronzezeit. Die Gehölzbaste stehen ganz am Anfang der frühen europäischen Textilentwicklung. Ab dem 4. Jahrtausend vor Christus werden diese Gehölzbaste zunehmend von gewebten Textilien abgelöst.

Um die Ergebnisse der Textilarchäologie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde eine Wanderausstellung mit Begleitband konzipiert und in das Projekt integriert. Auf 134 Seiten kann man sich in alle Details vertiefen – und das auf Deutsch und Englisch. Viele Fotos veranschaulichen dies sehr gut: von den Ausgrabungen über mikroskopische Untersuchungen bis hin zu den Techniken, die ehemals eingesetzt wurden, um beispielsweise einen Korb herzustellen. Eine Empfehlung für alle, die tiefer in die Hintergründe eintauchen möchten.

 

 

Johanna Banck-Burgess, Lisa-Maria Rösch (Hrsg.): Verknüpft und zugenäht! Gräser, Bast, Rinde – Alleskönner der Steinzeit, Archäologische Informationen aus Baden-Württemberg Band 82, Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg, Esslingen 2020, ISBN: 978-3-942227-45-2, 9 EUR

 

Erhältlich beim Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg oder im Buchhandel

 

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