Marie Sophie Hingst (Hg.): Kunstgeschichte als Brotbelag
Aus einer Sommer-Laune heraus entstand die Idee. Der Inhalt ihrer Gemüsekiste lieferte die Inspiration für ihr erstes Brotgemälde. Tomaten, Käse, Heidelbeeren und Frischkäse arrangierte die Bloggerin Marie Sophie Hingst auf einer Scheibe Brot wie ein Motiv des niederländischen Konstruktivisten Piet Mondrian. Am 18. Juli 2018 rief Hingst, die unter dem Namen „Fräulein Read On“ twittert, den Hashtag #KunstGeschichteAlsBrotbelag ins Leben.
Was darauf folgte, war eine Überraschung. Hingst schreibt in ihrem Vorwort: „Innerhalb weniger Stunden fanden sich hunderte Gleichgesinnte, die sich an dieser spontanen Aktion beteiligten und das Netz in eine große Ausstellung fantastischer und farbenfroher Brotkunstwerke verwandelten.“ Innerhalb weniger Tage war Platz 1 der deutschen Twitter-Trends gesichert.
Die Twitter-User brachten die unterschiedlichsten Kunstwerke aufs Brot. Fast alles, was Kühl- und andere Vorratsschränke hergeben, wurde mit viel Humor, Phantasie und virtuosem Messerstrich dazu verwendet, die Kunstgeschichte neu zu interpretieren: Ob Vincent van Goghs „Sternennacht“, Leonardo da Vincis „Abendmahl“ oder Gustav Klimts „Kuss“ – es scheint für jeden etwas dabei zu sein. Mal erstaunlich nah am Original wie Jan Vermeers „Mädchen mit dem Perlenohrring“ aus Fleischwurst und Birne auf Vollkornbrot, mal mit etwas mehr künstlerischer Freiheit wie der in Papier gehüllte Brotlaib in Anlehnung an die Verpackungskünstler Christo und Jeanne-Claude.
Das Spektrum an unterschiedlichen Materialien und Techniken der kreativen Marmeladenbrote, Käsestullen und Wurstschnitten ist ebenso facettenreich wie die Kunstwerke selbst. Es reicht von pastosem Frischkäseauftrag über akkurate Avocadoanordnung bis hin zu filigraner Gurkenschnitzerei. So gerne hat man Kunstgeschichte selten verschlungen.
Der Kölner DuMont Buchverlag hat daraus 112 Seiten mit ca. 100 farbigen Abbildungen gedruckt und zwischen zwei 14 x 17 cm große Buchdeckel gebunden. Man sehe selbst, was besser mundet: das Original oder die köstliche Interpretation. Da der Mensch nicht von Brot allein lebt, ist dies ein Leckerbissen für alle Kunstliebhaber*innen und solche, die es werden wollen.
Die Herausgeberin Marie Sophie Hingst studierte Geschichte und Ostasienwissenschaften in Berlin, Lyon und Los Angeles. Sie wurde am Trinity College Dublin promoviert und arbeitet seit August 2018 für Intel Ireland. Ihr Blog „Read On my Dear Read On“ wurde mit dem Goldenen Blogger als bester deutschsprachiger Blog 2017 ausgezeichnet.
Einen virtuellen Ausstellungsbesuch kann man hier unternehmen.
Marie Sophie Hingst (Hg.): Kunstgeschichte als Brotbelag,
DuMont Buchverlag, Köln 2019, ISBN 978-3-8321-9963-0, 15 EUR
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