Val Holmes: Creative Recycling in Embroidery
„Recycling“ ist einer der neuesten Trends in der Textilkunst – wobei die Integration von (gebrauchten) Gegenständen in ein Kunstwerk schon seit den Zeiten von Marcel Duchamp und dem Dadaismus, also seit dem frühen 20. Jh., nichts Neues ist – man sich also in „guter Gesellschaft“ bewegt.
Die britische, aber in Frankreich lebende Textilkünstlerin Val Holmes legt nun ganz aktuell ein erstes Buch zu diesem Thema vor, in dem es in erster Linie um die Verbindung von Stickerei und Näherei mit ganz verschiedenen Dingen geht: Dinge, die man in Erinnerung behalten will, Dinge, die einem Werk eine bestimmte Bedeutung verleihen, Dinge, die eine Beziehung zwischen dem Betrachter und dem Werk aufbauen, Dinge, die in einem bestimmten Kontext erhalten werden sollen, Dinge, die einfach nichts kosten. Das ist so abwegig nicht: entstanden nicht schon ganze Bettdecken aus abgelegter Kleidung? Lässt sich eine individuelle, ganz persönliche Geschichte nicht sehr gut durch (Teile) alter Stickereien interpretieren und bewahren?
Dagegen lässt sich einwenden, dass manches Material nur kurzlebig sei oder nicht „wertvoll“ genug, um in einem textilen Kunstwerk Verwendung zu finden, zumal in einer Zeit, in der man leicht neue Materialien finden und erwerben kann.
Doch gerade unsere Wegwerfgesellschaften mit ihrem Konsumverhalten geben Anlass zum Umdenken, das durch den Einsatz dieser Wegwerfmaterialien in einem künstlerischen Kontext entsprechend kommentiert wird. Daher geht die Autorin in ihrem 128 Seiten umfassenden Buch mit dem Titel „Creative Recycling in Embroidery“ auf die Verwendung von verschiedensten Recyclingmaterialien ein und zeigt anhand vieler eigener, aber auch Beispiele anderer Textilkünstlerinnen, was daraus werden kann. Man lasse sich überraschen!
Acht Kapitel stehen für acht Materialgruppen: Abfälle von Fasern und Stoffen finden genauso Verwendung wie alte Arbeiten (Stickereien) oder Arbeiten aus anderen Kulturen oder Zeiten; sodann rücken Papiere im weitesten Sinn wie auch organisch-pflanzliche Materialien in den Blickpunkt; Plastik, Holz, Metall, sogar Steine – wenn auch in ihrer edelsten Form – werden Bestandteil ihrer Arbeiten; Bücher, Briefe, Verpackungsmaterialien und schließlich gedruckte Bilder und Worte sind die Themen der beiden abschließenden Kapitel. Überflüssig zu erwähnen, dass die daraus entstandenen Werke einfach ungewöhnlich und erstaunlich sind und vor Einzigartigkeit und Originalität nur so strotzen. Das Buch ist eine Ideenfundgrube und liefert Inspirationen, über die man nachdenken, noch besser, sie in eigene Werke umsetzen sollte, frei nach dem Grundsatz: „Erlaubt ist, was gefällt“.
Der einzige Nachteil liegt wieder einmal darin, dass Leserinnen und Leser mit wenig englischen Sprachkenntnissen zwar von den vielen guten Fotos profitieren, den Nutzen aus dem doch äußerst interessanten Text aber nicht ziehen können – wobei z.B. fast zu jedem Abschnitt noch zusätzliche Ideen aufgelistet, jedoch nicht abgebildet sind. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, dem sei dieses faszinierende Buch wärmstens empfohlen.
Val Holmes: Creative Recycling in Embroidery, Batsford, London 2006, ISBN-10: 0-7134-8986-3, ISBN-13: 9-780713-489866, ca. 23,- EUR
Hinweis:
Abbildung des Buchcovers kann abweichen.