Jardins Réduits / Art Shibori: Formes en Expansion

 

Ein Katalog, der zwei verschiedene Ausstellungen dokumentiert und präsentiert: Zum einen die Exponate der VIII. Internationalen Triennale Mini-Textiles und zum anderen die Arbeiten von 30 ausgewählten japanischen Künstlerinnen und Künstlern, die an der „Art Shibori: Formes en Expansion“ teilgenommen haben. Die beiden Ausstellungen waren zusammen von Dezember 2005 bis Mai 2006 in Angers (Frankreich), im Anschluss daran in St. Gallen und in Quebec zu sehen.

 

Nachdem die Triennale zunächst dreimal in Strasbourg stattgefunden hatte, wechselte sie 1993 nach Angers und wird seither dort vom Musée Jean Lurcat et de la tapisserie contemporaine d’Angers fortgeführt. Sie steht in einer Reihe mit renommierten Wettbewerben wie die in Lodz (Polen), Kyoto (Japan), Lausanne (Schweiz), Szombathely (Ungarn), Como (Italien) oder Barcelona (Spanien) stattfindenden hochkarätigen Events. Das Museum in Angers schrieb einen internationalen Wettbewerb aus, der 585 Einsendungen erbrachte, aus denen 70 Arbeiten von einer erstklassig besetzten Jury ausgewählt wurden. Das Thema „Jardins Réduits“ sprach viele, Gärten und Blumen im weitesten Sinn liebende Textilkünstlerinnen und -künstler an, die Arbeiten mit den maximalen Maßen von 12 cm x 12 cm x 12 cm, gefertigt aus den unterschiedlichsten Materialien in den unterschiedlichsten Techniken einreichten und damit das Thema „Verkleinerte Gärten“ auf höchst unterschiedliche, originelle Art und Weise interpretierten.

 

Aus einem Symposium über Shibori, das im Mai 2005 in Tokyo und Nagoya stattfand, ging die zweite Ausstellung „Art Shibori: Formes en Expansion“ hervor. Shibori bezeichnet ein ursprünglich in Japan entwickeltes, immer weiter verfeinertes Reservierungsfärbeverfahren mit philosophischem Hintergrund, bei dem Textilien durch Falten, Faltungen, Abbinden, Umwickeln und anderen Manipulationen vor Farbaufnahme reserviert, anschließend gefärbt und dadurch in charakteristischer Weise gemustert werden. Es wird gegenwärtig auf der ganzen Welt von namhaften Textilkünstlern eingesetzt und besitzt vor allem in Japan einen hohen Stellenwert. Die Arbeiten dieser Ausstellung „Art Shibori: Formes en Expansion“, also der „Shibori Kunst: sich erweiternde Form(en)“, durften eine Größe von 20 cm x 20 cm x 20 cm nicht überschreiten. Die japanischen Textilkünstlerinnen und -künstler erweiterten das traditionelle Konzept, um neuen und freieren Gedanken, Gefühlen und Ideen Raum zu geben, entwickelten eine Kunst für die Zukunft, die die bisherigen Grenzen des Shibori überwindet. Die Präsentation der beiden Ausstellungen zusammen versteht sich als Zusammenführung verschiedener Kulturen, als Brücke für internationales Verständnis und Verständigung.

 

Der Katalog besticht durch seine brillanten Farbaufnahmen jedes einzelnen Exponats. Durch die Beschränkung im Maß spiegeln die Fotos nahezu die Originalgrößen der Arbeiten wieder, von denen etliche noch viel kleiner, und zwar sowohl drei- als auch zweidimensional gearbeitet sind. Neben Webarbeiten und Stickereien sind die gefilzten Arbeiten, Applikationen, Smok und natürlich die vielen eigenen, persönlichen Techniken zu nennen. An Materialien findet alles Mögliche und Unmögliche Verwendung und tritt nun in neuem Kontext in einem neuen Licht auf: So werden Herbstblätter, Papyrusfasern, Federn oder Papier ebenso eingesetzt wie die Fäden aus der Klebepistole, andere Kunststoffe oder Elektrokabel, Kupferdraht und andere Metalle, selbstverständlich aber auch Seide, Leinen, Wolle oder Baumwolle. Die thematische Vielfalt der Interpretationen reicht von gegenständlich bis zu abstrakt, von geheimen bis zum gestorbenen Garten, von Gärten der Kindheit, dem Garten der Frau bis zum geschichtlichen Garten, von Fragmenten über Blüten bis zu Blumenarrangements.

 

Blättert man den Katalog von hinten her, also in der für japanische Bücher richtigen Richtung auf, so tritt man ein in die Welt der sich erweiternden, die Grenzen des Shibori überschreitenden, meist dreidimensionalen Formen. Denkt man an die Faltungen, die für die Shibori-Technik charakterisitisch sind, verwundert es absolut nicht, dass die reiche Textur der Exponate und die Vielfalt der Texturen als erstes ins Auge springen. Höchst unterschiedlich sind auch die Themenstellungen, die angewandten Techniken und eingesetzten Materialien. Sie reichen vom „Duft der Zeit“ aus Teebeuteln, über einen „Meteorit“ aus Stahlfäden, der „Innenseite eines Turms“ aus Papier und Seide, einer „Wurzel“ aus gefilzter Wolle bis hin zum „Ananasfisch“ aus Seide – um nur einige zu nennen.

 

Alles in allem bieten die 100 Arbeiten, die der Katalog vorstellt, solch ein weites Spektrum an Ideen und Schöpfungen, dass einem beim Betrachten das Herz aufgeht - Inspiration in Fülle für das eigene Schaffen inbegriffen. Ein Buch zum Betrachten, zum Schmunzeln, zum Nachdenken, zum Immer-wieder-Durchblättern, das ich gerne zur Hand nehme und allen als Bereicherung weiter empfehle, die sich für textile Kunst interessieren.

 

Jardins Réduits / Art Shibori: Formes en Expansion, Ausstellungskatalog des Musée Jean Lurcat et de la tapisserie contemporaine d’Angers,

Angers 2005, ISBN: 2-901287-92-1, 25,- EUR

 

Erhältlich bei www.quiltstar.de

 

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