Alessandra Mattanza: Banksy
Wer ist dieser Banksy? Was ist dieser Banksy?
Mit diesen Fragen beginnt John Brandler das Vorwort zum 240 Seiten umfassenden Bildband „Banksy“ von Alessandra Mattanza aus dem Prestel Verlag. Seine Identität verbirgt der Künstler, der wohl aus Bristol in England stammt und regelmässig mit seinen Kunstwerken für Furore und Schlagzeilen sorgt.
Als jüngstes Beispiel hat die Ukraine zum ersten Jahrestag des russischen Überfalls eine Banksy-Briefmarke herausgegeben. Auf ihr ist ein Motiv zu sehen, das Banksy auf einer Mauer in der schwer zerstörten ukrainischen Ortschaft Borodjanka bei Kiew hinterlassen hatte. Darauf ist ein Kind zu sehen, das einen grossen und übermächtig erscheinenden Judoka besiegt. Im unteren linken Teil der neuen Briefmarke steht der Satz „Hau ab Putin“.
Brandler erklärt dieses Versteckspiel um seine Identität nicht als Marketing-Trick oder Werbegag, sondern als das Bestreben von Banksy, sich immer wieder unerkannt unter die Bevölkerung mischen zu können und so seine Werke dicht an den Sorgen und Empfindungen der einfachen Leute entstehen zu lassen. Hinzu kommt, dass der Künstler Banksy sein Werk wichtiger als seine Person erachtet. So war Banksy im November 2022 in der Ukraine, um mit gesprühten Bildern die ukrainische Position zu unterstützen. Die Judoszene ist nicht das einzige Werk, das der britische Street-Art-Künstler in der Ukraine hinterliess. Auch war er in der Vergangenheit bereits in anderen Krisengebieten unterwegs, unter anderem im Westjordanland.
Der Bildband „Banksy“ stellt berühmte Arbeiten des Künstlers vor, wie die sich küssenden Polizisten in „Kissing Coppers“, was zum Zeitpunkt der Entstehung völlig undenkbar war. Banksys sich selbst während einer Auktion in London im Oktober 2018 zerstörendes Bild „Girl with Balloon“ sorgte weltweit für Aufsehen. Als das zum Teil geschredderte und in „Love is in the Bin“ umbenannte Werk im Museum Frieder Burda in Baden-Baden für eine Zeitlang ausgestellt war, liess es die Besucher strömen.
Begonnen hat alles mit Ratten, Affen und anderen Kreaturen, die an Hauswände gesprüht, von Banksy so verstanden werden, dass er die oft unsichtbaren Kreaturen, die mit Schmutz und Krankheiten verbunden werden, überall sichtbar macht und mit menschlichen Eigenarten versieht wie die „Gangsta Rat“ mit Soundbox, Kette und Basecap oder als Ratte, die das sinkende Schiff Erde verlässt.
Botschaften gegen den Brexit, gegen den Krieg oder das Parlament, aus lauter Affen bestehend, werden in dem Bildband vorgestellt und ihre Bedeutung erläutert. Ein Kapitel befasst sich mit den Arbeiten in Bethlehem und Palästina. Eindrucksvoll ist das kleine Mädchen, das einen Soldaten abtastet und durchsucht oder der Esel, der einem Soldaten seine Papiere zur Kontrolle vorlegen muss, also die Verhältnisse auf den Kopf stellt.
Die Texte von Mattanza ordnen mit grossformatigen Bilder diese in ihre Zeit ein und führen so in die Gedankenwelt des Künstlers ein. Das Buch ist kein Katalog, es will den Weg und seine Vision beschreiben und so eine Geschichte erzählen.
Wer sich mit der Gedankenwelt von Banksy auseinandersetzen will, findet in dem Bildband eine anregende Zwischenbilanz des Künstlers, der sich gegen Ungerechtigkeiten und Gewalt eindeutig positioniert.
Alessandra Mattanza: Banksy, Prestel Verlag, München, London, New York 2021, ISBN 978-3-7913-8823-6, 36 EUR